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Ida Spix

Die zerbrochenen Flöten, Jadefisch und Motecuzoma

16,90

Mexiko und die Azteken! 500 Jahre nach Motecuzomas Tod erscheint bei uns ein Buch über diese spannende Welt - aus Sicht der Azteken erzählt.

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Die zerbrochenen Flöten, Jadefisch und Motecuzoma

Die Welt der Azteken im Jahr 1519:

Bisher hat der junge Krieger Jadefisch seine Bestimmung, den Opfertod für die Götter zu sterben, hingenommen – bis er sich ausgerechnet in Maisblüte, die Tochter des aztekischen Herrschers Motecuzoma verliebt und in den Machtkampf zwischen diesem und dem unerbittlichen Oberpriester gerät. Zur gleichen Zeit nähern sich unbekannte Schiffe der Küste des Landes. Der Gesandte eines fernen Landes wiegelt die Feinde der Azteken gegen Motecuzoma auf. Mit unbekannten Waffen und riesigen, vierbeinigen Tieren gehen sie gegen die Städte der Azteken vor und nehmen den Herrscher samt Hofstaat gefangen. Während Jadefisch versucht, seine Geliebte zu retten, braut sich neues Unheil zusammen…

Die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Sie hat sich intensiv mit der aztekischen Geschichte und Kultur beschäftigt und kennt Mexiko aus erster Hand. Zuletzt ist sie noch kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie dort gewesen – auf den Spuren indigener Bilderhandschriften, die Humboldt aus Mexiko mitgebracht hat. Derzeit bereitet sie eine Ausstellung ebendieser Bilderhandschriften in der Staatsbibliothek Berlin für die Öffentlichkeit vor. Geplante Eröffnung: Frühjahr 2022.

Amerindian Research 1/ 2022

Das vorliegende Buch bewegt sich an der Grenze zwischen Roman und Historie. Endlich wird einmal die Geschichte der Eroberung Mexikos, zumindest deren erster Teil, konsequent aus aztekischer Perspektive geschildert! Die Autorin – der Name Ida Spix ist ein Pseudonym, hinter dem sich eine einschlägig ausgebildete Fachfrau verbirgt – wählt in geschickter Weise die Romanform, um die gesellschaftliche Verfassung der alten Mexikaner, insbesondere der Azteken, am Vorabend der spanischen Eroberung zu schildern. Es ist eine Geschichte, die uns bisher nur von den alten spanischen Historikern und Beteiligten am Eroberungszug bekannt ist, und die begrenzte, vielfach völlig verständnislose Sichtweise der Konquistadoren auf das Land, welches sie zu erobern und auszurauben versuchten, wiedergibt. Es sind insbesondere religiöse und rituelle Zusammen- hänge, welche – reduziert auf ständig wiederholte Anspielungen auf die von den Azteken praktizierten Menschenopfer – aber auch gesellschaftliche Differenzen innerhalb der aztekischen Gesellschaft, die den Spaniern völlig verborgen blieben.

Langjährige Studien haben die Autorin in die Lage versetzt, das überzeugende Bild einer vielschichtigen aztekischen Gesellschaft zu entwerfen, weit entfernt da- von, eine homogene Interessensgemeinschaft zu sein.

Vor dem Hintergrund des Erscheinens der Spanier, die aus aztekischer Sicht zunächst nur als ungefährliche Randerscheinung an den fernen Grenzen ihres Herrschaftsbereiches wahrgenommen werden, wird die Liebesgeschichte zwischen dem jungen Krieger Jadefisch und Maisblüte, der Tochter des Herrschers Motecuzoma, erzählt. Die Liebesbeziehung steht freilich unter einem unglücklichen Stern: Jadefisch ist zwar der Sohn eines einflussreichen Fürsten aus einer anderen Stadt (Cholula), aber er ist als Kriegsgefangener in die Hände der Azteken gefallen und zum Opfer des Gottes Tezcatlipoca bestimmt worden. – aus damaliger mexikanischer Sicht ein überaus ehrenvolles Schicksal, das sich nach einer einjährigen Vorbereitungszeit vollenden sollte. Das Erscheinen der Spanier zunächst nur an der Peripherie des aztekischen Staatsgebietes lässt jedoch innere wie äußere Konflikte aufbrechen: Welche militärische und diplomatische Politik soll man gegenüber den alten Feinden in Tlaxcala und Cholula sowie den seltsamen Neuankömmlingen, deren Ziele und Verhaltens- weisen völlig unverständlich waren, verfolgen? Auch zwischen dem Herrscher Moctezuma und dem mächtigen Oberpriester tun sich Konflikte auf. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es angesichts des zu erwartenden Opfertodes von Jadefisch vielleicht doch noch eine gemeinsame Zukunft mit Maisblüte geben kann.

Der Autorin gelingt es, historische Ereignisse und tiefgreifende innergesellschaftliche und religiöse Zusammenhänge der Aztekengesellschaft mit einer spannen- den Romanhandlung zu verknüpfen und überzeugend darzustellen.

Freilich: Es ist keine ganz einfache Lektüre. Es gibt ein Register, welches bei der Fülle von Namen und Titeln handelnder Personen, die teilweise auf Deutsch, teil- weise in aztekischer Sprache erscheinen, hilft, den Über- blick zu behalten, aber es fließt auch in großem Umfang unser aktuelles Wissen über Gesellschaft, Religion und Kult der Azteken in die Erzählung ein. Zwar macht genau das den Wert dieses Romans aus und verleiht ihm eine ganz besondere Authentizität, erschwert aber dem Leser, der sich bisher nur wenig für die Kulturgeschichte Mesoamerikas interessiert hat, das Verständnis bestimmter Zusammenhänge. Vielleicht wären ein Vorwort in Verbindung mit einer Übersichtskarte, die das besondere politische Verhältnis zwischen Mexiko-Tenochtitlan, Tlaxcala und Cholula kurz erläutert, hier hilf- reich gewesen. Auch einige Begriffe hätten dort erläutert werden können. So ist mit dem "Sternenberg" natürlich der Pico de Orizaba gemeint – aber wer weiß das schon?

Und die "Felsenburg des dicken Totonakenkönigs" ist auch ein historischer Platz, nämlich Quiahuitzlan nördlich der heutigen Stadt Veracruz. Die Verweise auf tat- sächlich vorhandene Orte sowie Ereignisse, die auch von den spanischen Historikern, wenn auch aus anderer Perspektive, überliefert wurden, hätten dem Leser die bemerkenswerte Authentizität dieses Romans verdeutlicht. Trotzdem: Ein spannendes und informatives Buch, dass dem interessierten Leser unbedingt empfohlen werden muss.         

 

Rezension im Magazin für Amerikanistik 1/2022

 

Endlich mal ein Indianerroman über Südamerika, ist man geneigt zu sagen. Amerika ist ein Doppelkontinent, und die Völker im Süden und in Mexiko waren die ersten, die mit den europäischen „Heilsbringern“ in Kontakt gerieten. Die spanischen Eroberer kamen mit Kreuz und Schwert und schlugen eine blutige Schneide durch die Heimat der Azteken und Maya und anderen Völker, die ihnen begegneten. Entsprechend dem Geist der Zeit erkannten die Kolonisten die Hochkulturen dieser Menschen nicht an. Zwar war das Ritualleben der Gesellschaften in Süd- und Mittelamerika von Zeremonien bestimmt, die uns Heutigen als grausam und unmenschlich erscheinen, aber war das „christliche Abendland“ so viel humaner? Eher nicht. Gnadenlos vernichteten sie die hochentwickelten Zivilisationen und brandmarkten deren Priester als „Barbaren“. Im Rückblick stellt sich die Frage, wer die wirklichen Barbaren waren. Nach dem Untergang der großen Reiche gerieten die Völker Süd- und Mittelamerikas fast in Vergessenheit. Die Autorin greift die Lebenswelt dieser Menschen auf, für die die „Entdeckung“ durch die Europäer zu einem kulturellen Desaster wurde. Die Autorin ist Expertin für aztekische Geschichte und Kultur. Sie hat immer wieder in Mexiko recherchiert und arbeitet mit wissenschaftlichen Institutionen in Berlin zusammen. Sie hat eine kenntnisreiche und einfühlsame Geschichte geschrieben, die den Leser in eine untergegangene Welt führt, die wiederzuentdecken sich wirklich lohnt und bereichert und neue Perspektiven in die Vielfalt der indianischen Kulturen der „Neuen Welt“ bietet. Eine lesenswerte und sehr beeindruckende Arbeit. Dietmar Kuegler

Die Musik erhob sich wie ein Vogel. Mit schrillem Ruf, leicht federnd, sprang sie ab und zog dann kraftvoll immer höher. Als sie genügend Raum gewonnen hatte, hielt sie inne. Sie trug sich selbst, sie schwebte schwerelos. Dann stieg sie wieder. Sie begann zu oszillieren. Sie stieg, sie ließ sich fallen, stieg und fiel und fing sich wieder und drängte doch unbeirrt weiter empor, hin zu dem einen Ton aus Schatten und Licht, der wie kein anderer die Gegenwart des willkürlichen Gottes Tezcatlipoca, Rauchender Spiegel, verkündet. Jadefisch ließ die Finger auf der Blumenflöte tanzen. Mühelos umkreiste er den Ton, die dunkle Mitte, wo der Gott Tezcatlipoca wohnte. Eins-Affe sah die runde, modellierte Blüte wippen, das schmale Rohr, auf dem sie saß, und dachte an den süßen Duft der weißen Winde, der berauschte und betörte, und an die dunklen, runden Samen, durch die der Mensch zu der Gottheit gelangte. Das war der Augenblick! Der Ton erklang. Eins-Affe schloss die Augen. ‚O Nacht, die eine neue Sonne hütet, in Demut nehmen wir unser Schicksal entgegen. Vernichte uns nicht!‘
Beinahe schmerzhaft vibrierte ihm dieser Ton im Bauch; endlich, endlich verschob er sich ins Helle. ‚Licht, Erneuerung!‘, dachte Eins-Affe. Er vernahm Flügelschlagen, und unter seinen Augenlidern zeichnete sich ein makelloser, bläulich schimmernder Reiher ab: Der Gott war ihm in Tiergestalt erschienen. Die Flöte sang jetzt noch höher, das dunkle Motiv wie am Himmel spiegelnd. Dann, plötzlich, stürzte sie ab. Die Spannung löste sich in einer Kadenz falscher Töne. Der blaue Reiher floh.

Autorin:

Ida Spix, mit bürgerlichem Namen Angelika Danielewski, wurde in Berlin Köpenick geboren und studierte Sprachen sowie Alt-und Lateinamerikanistik. Sie forschte über indigene Handschriften aus Mexiko und schrieb eine Dissertation über aztekische Gesänge.

Ida Spix über sich selbst: „Zweifellos habe ich einen Vogel. Auf meinem Kopf oder dem Computerbildschirm sitzend beobachtet er mich. Den Ausdruck klaut er mir gerne, zerpflückt ihn, als wäre er mein erster Kritiker. Coco, zugeflogen aus unklaren Verhältnissen. Sein Lebenslauf hat ein Loch, so wie meiner, der vielfach gebrochen ist wie der vieler Menschen heute. Er scheint aus Pfaden durch einen Irrgarten zu bestehen, doch immer um eine Mitte mäandernd: Die indigenen Kulturen beider Amerikas. Begonnen hat das ganz klassisch mit den Ureinwohnern Nordamerikas und den Romanen von Liselotte Welskopf-Henrich.

Die Welt der Azteken hat mir ein Dichter geöffnet: Ernesto Cardenal. Wie vor Jahren versenke ich mich in seinen Zyklus „Für die Indianer Amerikas“. Darüber musste ich alles erfahren. Die Wissenschaft lehrte mich ihre Wege zur Erkenntnis, doch folgt das unruhige Herz stets auch den seinen, und so fing etwas in mir an zu schreiben. Was dabei herausgekommen ist, kann nur der Leser beurteilen.

Ich schreibe auf, was die Figuren mir zuflüstern. O ja, ich verhandele auch mit ihnen, damit sie mir etwas anderes sagen. Höflich geben sie mir neue Worte, nur ihren Sinn ändern sie selten.

Rückschauend glaube ich, dass ich ihnen eine Stimme geben wollte. Sie stehen für Menschen, die der ihren beraubt wurden, vor sehr langer Zeit. Sie sind fiktiv, so wie mein Name, in dem der kleine blaue Spix-Ara weiterleben soll, denn auch er hat in der Welt, die ihm gehörte, keine Stimme mehr.“

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