Tlingit Moon
Spannende Geschichte in Alaska zwischen einer Studentin und einem Piloten - vom Volk der Tlingit. Klappenbroschur. 500 Seiten
Josephine stammt aus New York und reist für ihre Forschungsarbeit als Hydrologin an die Südost- Küste Alaskas. Die Landschaft und die unberührte Natur der Inside Passage überwältigen sie. Inmitten von Fjorden, Gletschern und dicht bewaldeten Bergen beginnt sie mit ihrer Arbeit. Meer und Wetter sind rau, und die Wildnis ist unbarmherzig. Doch Josephine bekommt Hilfe von Gooch, einem einheimischen Buschpiloten, der zum Stamm der dort beheimateten Tlingit gehört. Zunächst läuft alles problemlos, doch dann muss Joe feststellen, dass jemand ihre Forschungsarbeit torpediert. Wasserproben weisen verdächtige Werte auf, Messergebnisse verschwinden und ihr Computer wird gehackt. Gemeinsam mit Gooch versucht Joe den Ereignissen auf den Grund zu gehen. Ein Katz- und Mausspiel beginnt, das zunehmend gefährlicher wird.
Eine spannende, interkulturelle Liebesgeschichte in atemberaubender Kulisse- und mit viel Fachwissen erzählt.
Rezension im Amerindian Research 1/2021
Die südöstliche Küstenregion des US-Bundesstaates Alaska mit ihren von großen Meeresarmen umgebenen Inseln voller Berge und Wälder, mit Gletschern, belebt von einer vielfältigen Tierwelt mit den Großen unter ihnen: den Buckelwalen und Orcas, den Bären und Elchen, und vor allem einem großen Fischreichtum, ist seit Jahrtausenden die Lebenswelt der Tlingit. Diese sind eines der Nordwestküstenvölker, die bis ins 21. Jahrhundert hinein ihren Lebensunterhalt mit Jagen, Sammeln und Fischen gesichert haben, vor allem aber viel von ihren kulturellen Traditionen, den großen Holzhäusern mit geschnitzten Fassadengiebeln und den seetüchtigen Holzbooten, den viele Meter hohen Totempfählen, vor allem aber ihren Mythen und Geschichten in der eigenen Sprache und ihren Festen zu bewahren verstanden. In diese in den Sommermonaten vom Tourismus geprägte, straßenlose Gegend mit Flug- und Schiffsverkehr kommt eine junge Wissenschaftlerin, die sich als Hydrologin für ihre Doktorarbeit den Recherchen zu Fragen des Klimawandels widmen will. Sie hat dem unterkühlten Klima des Elternhauses an der US-amerikanischen Ostküste den Rücken gekehrt und erfährt nun in der äußerlich kalten Region viel menschliche Wärme. Sie lernt Arbeitskollegen und Mitstreiter in ihrem Anliegen des Klimaschutzes und schließlich nach langem Hin und Her auch ihren Lebenspartner kennen, einen Buschpiloten, der zu den Tlingit gehört. Inhaltsreiche, humorvolle Gespräche und zum Schmunzeln anregende Wortgefechte, eingestreute Tlingit-Mythen und Berichte über die Geschichte der Ureinwohner sowie Erklärungen zu deren Lebensweise einst und jetzt lassen den Arbeitsalltag junger Menschen unter den extremen Bedingungen lebendig werden. Eingestreute Sätze in Tlingit verstärken das Lokalkolorit; die Beschreibungen des wechselvollen, oft von Sturm und Regen bestimmten Wetters verdeutlichen dem Leser die Distanz zum eigenen Leben. Dass die allgemeine Kommunikation dort in Englisch erfolgt, wird nicht besonders betont; und erst am Schluss des Buches wird der Leser erfahren, was der Titel eigentlich aussagt. Zuweilen eingestreute Wortspiele haben ihren Ursprung eindeutig in der deutschen Sprache. Ansonsten aber zeigt die Autorin eine gute Kenntnis vieler Details jener fernen Lebenswelt, in der man sich auf Freundschaft und Zuwendung verlassen können muss, in der der Zusammenhalt viele charakterliche Unterschiede überwinden hilft. Spannend ist das Bemühen der jungen Leute, Umweltsünder zu überführen und gemäß den Gesetzen für den Klimaschutz gerechter Strafe zuzuführen, ein Unterfangen unter sehr schwierigen Bedingungen. Die Lektüre ist sehr zu empfehlen; man wird viel erfahren und sich über die Wortspiele und Wortgefechte amüsieren können. UTS
Rezension im Magazin für Amerikanistik Heft 1 /2021
Romane, die in den Kulturen der eingeborenen Amerikaner angesiedelt sind, sind heute schon eine Seltenheit. Aber ein Roman im Kulturraum der Tlingit …? Wer kennt die Tlingit? Viele haben mit Sicherheit schon die gewaltige Wappenpfähle dieses oder anderer Völker der Region gesehen. Das dürfte aber schon alles sein. Was diese Pfähle wirklich bedeuten, weiß schon kaum jemand hierzulande. Alaska ist für die meisten Menschen ein landgewordener Kühlschrank. Fehleinschätzungen gibt es viele. Die grandiosen Landschaften dieses Teils der Erde dürften die meisten Menschen überraschen.
Allein wegen der konzeptionellen und geografischen Anlage dieser umfangreichen Geschichte sollte man empfehlen, dieses Werk zu lesen, um falsche Vorstellungen aus dem Kopf zu bekommen. Es ist – nebenbei – ein Buch gegen weitverbreitete Klischees. Klischees über Leben und Kultur der nordamerikanischen Völker im Allgemeinen und bezüglich der indianischen Kulturräume im Besonderen.
Das wäre aber zu kurz gegriffen und würde der hervorragenden Arbeit der Autorin nicht gerecht werden. Dieses Buch bietet eine gut strukturierte, flüssig erzählte, lesenswerte Geschichte, die ein aktuelles Thema in durchdachter Form aufgreift und in packender Weise präsentiert, und es das vor einem ethnisch-kulturellen Hintergrund, der Aufmerksamkeit und Respekt verdient.
Katja Ezkorns Geschichte ist nicht nur glaubwürdig und überzeugend, sondern auch gut recherchiert und fundiert. Die Abläufe wirken ebenso nachvollziehbar wie die Personen als lebendige Charaktere präsentiert werden. Es ist der Autorin gelungen, die Protagonisten so plastisch darzustellen – mit ihren Stärken und Schwächen, ihren Eigenarten und ihrem Lebensgefühl, dass man zeitweise vergisst, dass es sich um einen Roman handelt.
Der Verlag nennt das Buch einen „Öko-Krimi“. Gut – man muss heute im Sinne der Vermarktung solche Geschichten irgendwie einordnen – der Buchhandel verlangt das. Aber dieses Buch ist im Grunde viel mehr: Es ist ein Stück Kultur- und Sozialgeschichte unserer Gegenwart. Es ist durchdrungen von menschlichem Alltag, wie wir ihn überall erfahren, wie er aber in dieser für uns fast exotischen Kultur eine geradezu natürliche – keine künstliche geschaffene – Spannung erzeugt. Die Autorin hat ihre Figuren mit sicherer Hand zum Leben erweckt. Sie hat die Umweltprobleme, die sich gerade in schwach besiedelten, landschaftlich überwältigenden Regionen mit besonderer Dramatik zeigt, nicht als oberflächliche Kulisse verwendet, um Interesse zu wecken, sondern mit großem Fachwisse als zentrales Thema in die Geschichte integriert, ohne in irgendeiner Form belehrend oder missionarisch zu wirken. Dieses Buch hat es verdient, gelesen zu werden.
Dietmar Kuegler.
... Etwas gelangweilt hob Gooch das kleine Pappschild mit dem Namen seines Passagiers hoch und hielt nach den üblichen Verdächtigen Ausschau. Junger Mann mit Brille, Flanellhemd und Computertasche unter dem Arm. Mit ein paar kleinen Abweichungen kam das für gewöhnlich hin. Dann erregte der Anblick einer jungen Frau seine volle Aufmerksamkeit. Sie war schlank und zierlich, steckte in einer Röhrenjeans und einem grobgestrickten Oversize Pulli mit tiefem V-Ausschnitt. Ihr schmales, mädchenhaftes Gesicht wurde von zimtfarbenen Haarsträhnen umrahmt, die sich aus dem gewollt unordentlichen Knoten gelöst hatten. Sie trug kein Make-up – trotzdem wurde ihr Gesicht von ihren ausdrucksvollen Katzenaugen beherrscht. Lange, dunkle Wimpern und gerade, volle Brauen ließen sie noch größer erscheinen. Sie hielt kurz inne und schaute sich um. Gooch vergaß für einen Moment alles um sich herum, und seine Kinnlade sackte leicht nach unten, als sie ihn ansah.
„Sportaffe“, dachte Joe, als sie den dümmlich dreinblickenden Mann im Basketball-Outfit entdeckte, der ein Schild mit ihrem Namen hochhielt. Während sie auf ihn zu ging, musterte sie ihn genauer. Vom leicht beschränkt wirkenden Gesichtsausdruck einmal abgesehen – oder vielleicht gerade deswegen – wirkte er sehr maskulin. Groß, schlank, durchtrainiert, mit einem schönen Gesicht und den breiten Schultern war er in der Schule gewiss der Schwarm aller Mädchen gewesen. Auch das Tanktop und die Tattoos fand sie noch recht attraktiv, aber von der Taille an abwärts wurde es dann kriminell. Nun hieß es zwar: Einen schönen Menschen entstellt nichts, aber das stimmte nicht ganz. Wer war nur auf die Idee gekommen, Männer in kurze Hosen zu stecken? Die sackförmigen Basketballshorts, die seine Waden umspielten, gaben den Blick auf haarige Kalkstelzen preis und konnten damit auch die riesigen, mit Badelatschen verzierten Füße nicht kaschieren. Offensichtlich brauchten auch Ureinwohner gelegentlich Sonne, um braun zu werden. Joe schmunzelte bei dem Gedanken, was wohl ihre Mutter täte, wenn dieser junge Mann auf dem heiligen Teppich im kaiserlichen Salon stehen würde. Die Nationalgarde rufen oder gleich tot umfallen?
Dieser Engel schwebte weiterhin auf Gooch zu, und als er bemerkte, dass sie ihn musterte, verfluchte er zum ersten Mal in seinem Leben das schöne Sommerwetter. Seine Traumfrau stand vor ihm, und er sah aus wie ein Idiot! ‚Verdammter Mist!‘, stöhnte er im Geiste und verwünschte gleichzeitig auch die Sekretärin der Forschungsstation, die ihm offensichtlich einen unvollständigen Namen gegeben hatte, denn das hinreißende Geschöpf blieb vor ihm stehen und lächelte ihn an.
„Hi, ich bin Joe Cunningham. Bringen sie mich nach Barlett Cove?“, fragte sie und hielt Gooch die Hand hin.
Noch nie hatte er solche Augen gesehen. Helles Eisgrün. Wie die Farbe des Wassers, wenn es Eisbrocken umspülte, oder Grünspan auf Kupfer. Einen Moment lang starrte er wie paralysiert in ihr Gesicht; dann riss er sich zusammen, ergriff ihre Hand und räusperte sich, um ein halbwegs vernünftiges Wort herauszubringen. „Hi, ich bin Gooch McKenzie. Die Station hat mich geschickt. Kann ich dir den Koffer abnehmen? Es ist ein weiter Weg zum Anleger.“ Er versuchte ein charmantes Lächeln aufzusetzen. Doch er stand immer noch neben sich, und all seine sonst üblichen Strategien versagten kläglich.
Seine dunkle, rauchige Stimme brachte eine Saite in Joe zum Schwingen, als er wie selbstverständlich ihren Koffer ergriff.
„Danke schön“, sagte sie und schenkte ihm ein wohlwollendes Lächeln.
Wieder versank er in diesen großen, grünen Katzenaugen und brachte kein Wort heraus. Draußen ließ die Sonne Joes zimtbraunes Haar rötlich schimmern. Ein paar Sommersprossen tummelten sich auf ihrer frechen Stupsnase, und der Schmollmund ließ Gooch nur noch ans Küssen denken.
Während sie zum Anleger gingen, wollte er etwas Nettes sagen, aber sein Sprachzentrum hatte immer noch Ladehemmung. „Du verursachst also den Klimawandel?“, hörte er sich sagen und biss sich direkt danach auf die Zunge, als er ihre Reaktion bemerkte.
Die schwingende Saite in Joe riss mit einem Knall und verursachte ebenfalls einen Wandel – einen Stimmungswandel. Er wanderte von der Schublade, die sich Sport- und Lackaffen teilten, eine Etage tiefer in die unterste Macho-Schublade, und im Geiste drehte Joe noch den Schlüssel um und warf ihn weg.
Eigentlich hatte er vorgehabt, etwas zu sagen wie: Du hast gutes Wetter mitgebracht. Aber sie war heiß. In seinem momentanen Geisteszustand hatte er Wetter mit Klima assoziiert, und Sigmund Freud hatte ihm prompt ein Bein gestellt. Er konnte nicht ahnen, dass er eine Punktlandung im Fettnapf gemacht hatte.
„Ich erforsche die Auswirkungen des Klimawandels!“, erwiderte sie scharf.
Jetzt war er sich des Fettnapfes deutlich bewusst und beschloss, bis Barlett Cove die Klappe zu halten, um ja keine Wellen zu machen. Falls das überhaupt möglich war. Den Rest des Weges schwiegen sie.
Als sie den Anleger erreichten, staunte Joe nicht schlecht. Sie hatte mit einem Boot gerechnet, nicht mit einem Wasserflugzeug. Schneeweiß und rot lackiert dümpelte die Maschine am Steg und glänzte in der Sonne.
„Cool!“, rutschte es ihr heraus. Sie bereute es gleich, als sie merkte, dass diese Äußerung seine Macho-Mühlsteine erneut in Gang gesetzt hatte.
Nach dem Bauchklatscher hatte Gooch sich wieder im Griff und lächelte souverän, während er ihren Koffer auf die hinteren Sitze verfrachtete, damit nur noch der Platz neben ihm frei war. Er lief auf dem Schwimmer entlang, tauchte unter dem Flügel durch und öffnete ihr galant die Tür. Joe kletterte hinein und setzte sich. Gooch löste die Taue und verstaute sie im Fußraum, dann kletterte er auf der anderen Seite ins Cockpit.
Während er die Checkliste abarbeitete, sah sie sich um und bemerkte erst jetzt, dass es sich gar nicht um ein natürliches Gewässer handelte. Es war vielmehr ein riesiges Bassin direkt neben der asphaltierten Landebahn.
„Schnall‘ dich bitte an und setz die Kopfhörer auf“, sagte er zu ihr. Dann rief er den Tower über Funk. Er startete den Motor, nachdem er die Startfreigabe erhalten hatte, und brachte die Maschine in Position.
„Beaver November Sierra Zulu. Ready for take off. Over“, meldete Gooch dem Tower.
Einen Moment später erhielt er die Startgenehmigung. „Approved. Beaver November Sierra Zulu. Over and out“, kam es über die Kopfhörer.
Gooch gab Gas. Immer schneller glitt die Maschine übers Wasser und hob kurz danach ab. Er schwenkte nach links und zog die Beaver hoch, nachdem er die Einflugschneise verlassen hatte. Vor ihnen lagen nun offenes Wasser und die Nordspitze von Admirality Island. Joe stand vor Begeisterung der Mund offen, dann strahlte sie über das ganze Gesicht. Der Anblick, der sich ihr bot, war atemberaubend schön. Unter ihnen funkelte das Wasser des Lynn Canal so blau wie ein Saphir. Wild zerklüftete Fjorde schnitten sich tief in die Inseln, und die Hänge der Berge waren dicht bewaldet.
Katja Etzkorn
Katja Etzkorn, geboren 1968, lebt mit ihrer Familie in Nordfriesland. Viele Jahre war sie als Medizinisch-Technische Assistentin im Hafenkrankenhaus tätig. Schon als Kind dem Pferdevirus erlegen, sattelte sie vor zwanzig Jahren auf das Westernreiten um. Sie hat in dieser Zeit drei Pferde nach dem so genannten Horsemanship-Prinzip ausgebildet und widmet
sich begeistert dem berittenen Bogenschießen. Ein Teil ihrer Familie lebt in den USA entlang der Ostküste und im Mittleren Westen. Durch ein Buch von Kerstin Groeper auf die Spendenprojekte der Gesellschaft für bedrohte Völker aufmerksam geworden, setzte sie sich mit Andrea Cox in Verbindung, schloss Freundschaft und spendet seitdem für Projekte
der Horsemanship. Durch Andrea lernte sie auch Wendell Yellow Bull, den Leiter des Horsemanship-Spendenprojektes in Pine Ridge, kennen. Betroffen von den erschütternden Lebensumständen im Reservat, beschloss sie, ein Buch zu schreiben, das Menschen darüber informieren soll, unter welchen Bedingungen die Ureinwohner Nordamerikas in einem der reichsten Industriestaaten dieser Welt leben müssen.