Im Schatten des Schamanen
Neu: In der Toskana wird ein indianischer Schamane ermordet! Luca Marchetti ermittelt in einer Welt aus Lug und Trug. (Taschenbuch)
Luca Marchetti, Commissario in Siena, steht vor einem Rätsel, als ausgerechnet im beschaulichen Fungaia ein indianischer Schamane tot in einer Schwitzhütte aufgefunden wird. Konfrontiert mit hysterischen Frauen, die bei dem Schamanen einen Kurs gebucht hatten, offenbart sich schnell eine gewisse Abhängigkeit zwischen einigen dieser Teilnehmerinnen und dem Schamanen. Liegt hier ein Beziehungsdrama vor? Und wie kommt ein indianischer Schamane ausgerechnet in die Toskana? Zum Glück erfährt er erneut Unterstützung von dem deutschen Kommissar Isedor, der extra zur Settimana Gastronomica, der Feinschmeckerwoche der Contrada dell’Aquila, gekommen ist. Kurzerhand wird Isedor wieder der italienischen Behörde zugeteilt und verschafft den Ermittlern ganz andere Einblicke in das Leben des Schamanen … Wer steckt wirklich hinter dessen Identität, und warum wurde er ermordet? Die beiden Ermittler dringen tief in eine Welt aus Schein und Trug ein.
Kerstin Groeper versteht es hervorragend, frei von Klischees und Vorurteilen die Geschichte von Nativ Americans in den USA, aber auch die Gegenwartsprobleme von Rassismus und Diskriminierung in den Städten und Reservationen an Leser und Leserinnen unterschiedlicher Altersgruppen und auch mit wenig Vorwissen zu vermitteln. Jetzt ist sie auch unter die Krimiautorinnen gegangen. In ihrem Roman (Im Schatten des Schamanen, Commissario Marchettis zweiter Fall) wird das sehr wichtige Thema der Pseudo-Schamanen kenntnisreich und zugleich unterhaltsam aufgearbeitet. So kann man vieles lernen über Scharlatane und Seelenfänger und über ihre Opfer. Zugleich wird man eingeführt in die Traditionen der Contraden in Siena, Groepers Zweitheimat. Die Geschichte ist fiktiv, aber die Szene ist real. --Progrom 2/2019 --
„Ein Mord!“, informierte Balloni seinen Chef. „Wir müssen nach Fungaia. Nehmen wir dein Auto oder rufen wir eine Pantera?“ Balloni wartete ruhig auf die Antwort, obwohl er sie schon ahnte, denn Marchetti hasste es, in einem blauen Polizeiauto irgendwohin gefahren zu werden.
Marchetti versteckte den Rasierapparat wieder in der Schublade und runzelte die Stirn. „Nein, wir fahren mit meinem Auto. Fungaia ist ja nicht weit. Was ist denn passiert?“
Balloni schob ihn zur Tür hinaus und erzählte ihm im Gang, was er bereits erfahren hatte. „Ein Mann ist tot in einer Schwitzhütte aufgefunden worden.“
Marchetti riss verwundert die Augen auf. „In was?“
„Einer Schwitzhütte“, wiederholte Balloni geflissentlich. „So ein Ding, wie es Indianer benutzen.“
Marchetti hatte immer noch ein großes Fragezeichen in seinem Gesicht. Dann schüttelte er den Kopf. „Und da liegt eine Leiche drin?“
„Genau! Zumindest erzählt das die Polizei. Ich habe Brandesa verständigen lassen.“
„Gute Idee!“ Marchetti seufzte zufrieden. Staatsanwälte waren nicht sein Fall, aber mit Brandesa hatte er in der Vergangenheit immer ganz gut zusammengearbeitet. „Hoffentlich hat er Zeit und schickt uns nicht irgendeinen anderen Deppen.“
Balloni zog den Kopf ein und schwieg. Grundsätzlich hatte Marchetti ja recht, aber Balloni hatte immer Angst, dass irgendwann jemand so eine respektlose Äußerung seines Chefs mitbekam.
Marchetti dagegen grinste gut gelaunt. Endlich mal wieder ein Mord. Er hatte gerade die Nase voll von illegalen Einwanderern, Menschenschmuggel und Einbrüchen. Aus dem Kofferraum holte er sich eine lange Hose und ein Jacket, zog die kurze Hose aus und schlüpfte hüpfend in die lange Hose. Mit der Hand suchte er das Gleichgewicht, indem er sich an seinem Wagen abstützte. Balloni stand kopfschüttelnd daneben und grinste frech, als er beobachtete, wie sein Chef sich in Sekundenschnelle in einen seriösen Ermittler verwandelte.
„Gut?“, erkundigte sich Marchetti.
„Gut!“, bestätigte Balloni.
Marchetti setzte sich ans Steuer und fuhr die Via San Marco herunter, um die Stadt über die Porta San Marco zu verlassen. Er überquerte die Autobahn, fuhr nach Costafabbri und von dort die Strada degli Agostoli entlang. Das war eine Abkürzung, außerdem liebte er die mit Steineichen überwachsene Straße. Er fuhr in Richtung Santa Colomba und bog nach einer Weile rechts in eine Staubstraße ab, die nach Fungaia führte. Der Wagen holperte über die ausgefahrene Schotterpiste und nun tat es Marchetti doch leid um seinen schicken Oldtimer. Er würde wieder durch die Waschanlage fahren müssen. Balloni konnte seine Gedanken scheinbar riechen, denn er kicherte leicht.
„Halt die Klappe!“, meinte Marchetti böse.
„Ich sage doch gar nichts“, verteidigte sich Balloni.
„Aber du denkst!“
Sie erreichten den kleinen Ort, in dessen Mitte ein riesiger Baukran hochragte. Einige alte Häuser sollten restauriert werden, doch die Baustelle war wie ausgestorben. „Der Kran steht hier auch schon seit über 15 Jahren“, meinte Marchetti kopfschüttelnd.
„Die sind pleite“, wusste Balloni. „Die Bank versucht nun, die Häuser einzeln zu versteigen.“
„Und?“
„Wer will hier schon wohnen? Schwierig!“ --
Kerstin Groeper
Kerstin Groeper als Tochter des Schriftstellers Klaus Gröper in Berlin geboren, verbrachte einen Teil ihres Lebens in Kanada. In Kontakt mit nordamerikanischen Indianern entdeckte sie ihre Liebe zur indianischen Geschichte, Kultur und Sprache. Sie lernte Lakota, die Sprache der Teton-Sioux und ist aktives Mitglied einer Vereinigung, die sich der Unterstützung zum Fortbestehen der Sprache und Kultur der Teton-Sioux widmet und Mitarbeiterin beim Aufbau der Lakota Village Circle School auf der Pine Ridge Reservation in South Dakota. In Deutschland führt sie regelmäßig Referate und Seminare über die Sprache, Kultur und Spiritualität der Lakota-Indianer durch. Kerstin Groeper arbeitete als Autorin für Omni und Penthouse und schreibt heute Artikel zum Thema Indianer u.a. für das renommierte Magazin für Amerikanistik. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in der Nähe von München.