Ein Leben für die Freiheit
Neu als Taschenbuch: Eine Dokumentation über den indianischen Widerstand und den Fall von Leonard Peltier
Die Autoren beschäftigen sich seit Langem mit dem indianischen Widerstand in Nordamerika. Entstanden ist eine Dokumentation des Schreckens, sowohl über den indianischen Widerstand als auch über das Leben von Leonard Peltier.
Rezension im Coyote 109 (Frühjahr 2016)
Ein starkes Plädoyer für Gerechtigkeit
„Ein Leben für die Freiheit. Leonard Peltier und der indianische Widerstand“
Vor 40 Jahren am 6. Februar 1976 wurde der AIM-Aktivist Leonard Peltier verhaftet – ein trauriger Jahrestag der Unterdrückung indigener Rechte und mangelnder Justizgerechtigkeit. Bis heute sitzt Leonard Peltier im Gefängnis – daran erinnert nun eine ausgiebige Auseinandersetzung mit den damaligen Vorfällen, den Hintergründen und dem mühsamen Ringenum Gerechtigkeit: „Ein Leben für die Freiheit. Leonard Peltier und der indianische Widerstand“ von Michael Koch und Michael Schiffmann ist nun endlich im Traumfänger Verlag erschienen und gibt auf über 400 Seiten akribisch Auskunft über ein Kapitel indianischer Geschichte im 20. Jahrhundert, das leider bis heute nicht überwunden ist. Die beiden Autoren haben fast ein Jahrzehnt an dem Buch gearbeitet, denn noch heute werden viele Details unter Verschluss gehalten, das FBI versucht nach wie vor, die Geschichte vom kaltblütigen Mord an zwei ihrer Beamten aufrecht zu erhalten, und auch die Justiz ist nicht bereit, sich öffentlich zu ihren Fehlern und damit der Missachtung des Rechts auf ein faires Verfahren zu bekennen. Was sie verschweigen möchten, haben Michael Koch und Michael Schiffmann genau nachrecherchiert und um die nötige Einordnung und Analyse ergänzt. Nach der Besetzung von Wounded Knee 1973 herrschte weiterhin das Terrorregime von Dick Wilson auf der Pine Ridge Reservation, dem Dutzende von Aktivisten zum Opfer fielen. Doch auch der Widerstand ging weiter, und AIM versuchte den Lakota gegen die Übergriffe beizustehen. In dieser aufgeheizten Atmosphäre kam es am 26. Juni 1975 zu einem Schusswechsel auf dem Gelände der Jumping Bull Familie – zwei FBI-Leute und der AIM-Aktivist Joe Stuntz kamen dabei ums Leben. Sofort wurden wüste Geschichten von FBI, BIA und der Lakota-Regierung konstruiert. Die Suche nach den Tätern konzentrierte sich auf Leonard Peltier, Bob Robideau und Dino Butler. Peltier floh nach Kanada, Robideau und Butler wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und freigesprochen. Auch Peltier wurde verhaftet und rechtswidrig von Kanada an die USA ausgeliefert, wo ihm der Prozess gemacht wurde. Zwei Tote FBILeute sollten nun endlich „gesühnt“ werden. Mit Falschaussagen, unterdrückten Beweisen und Zeugeneinschüchterungen konnte man nun endlich einen Täter – korrekter: Sündenbock – präsentieren.
Leonard Peltier wurde 1977 zu zwei Mal lebenslanger Haft verurteilt. Ungeachtet der längst widerrufenen Zeugenaussagen, Eingeständnissen des damaligen Staatsanwalts von einem politischen Prozess und der Aufdeckung der FBI-Propaganda wurden alle Berufungsverfahren bislang abgeschmettert. Die nächste Möglichkeit zu einer neuen Anhörung besteht erst 2024. Leonard Peltier hat stets seine Unschuld beteuert. Doch im Grunde ist diese Frage schon längst nicht mehr im Zentrum der Debatte, denn es geht um die Machenschaften von Polizei, FBI, Justiz und Politik, die diesen Fall in besonderer Weise prägen und das Ergebnis Jahrhunderte langer Unterdrückungspolitik Gegenüber den Indigenen sind. So spannen die Autoren einen weiten Bogen zurück zu den Anfängen des Kolonialismus und zeigen die verhängnisvolle Politik der USA auf, die zu Entrechtung, Vertreibung und auch Ausrottung der Indigenen führte und deren Auswirkungen noch heute zu spüren sind. Nur vor diesem Hintergrund lassen sich die heutige Situation der Indigenen und vor allem auch der Widerstand verstehen, der zu einem weiten Teil von AIM getragen wurde. Für Leonard Peltier war AIM die Antwort auf viele Fragen. Die Autoren skizzieren seinen biografischen Werdegang und die Entwicklung des indianischen Widerstands, bevor sie sich dann ausführlich mit dem Zwischenfall bei Oglala im Juni 1976 auseinandersetzen. Besonders detailreich schildern sie die nachfolgende Verhaftung, die Verfahren und Gerichtsprozesse sowie die Jahre in der Haft und das vergebliche Bemühen um Gerechtigkeit.
Leonard Peltier (Lakota/Anishinabe) wurde am 12. September 1944 in North Dakota geboren. Den Großteil seines Lebens hat er in Haft verbracht. Längst ist er ein kranker, alter Mann, der u.a. an Diabetes und Sehstörungen leidet, doch er ist ungebrochen und gilt vielen als Inbegriff des indianischen Widerstands. Selbst die vielen Übergriffe und Schikanen in der Haft konnten daran nichts ändern. Aktivisten in aller Welt fordern seit vielen Jahren seine Begnadigung – bislang vergeblich. Sowohl Bill Clinton wie auchGeorge W. Bush haben sich geweigert,von ihrem präsidentiellen Recht Gebrauch zu machen und Peltier zu begnadigen. Wer immer die Präsidentschaftswahl 2016 gewinnt, ob Hillary Clinton oder Donald Trump, wird kaum Peltier endlich in Freiheit entlassen Die einzige (allerdings schwache) Hoffnung setzen Peltiers Unterstützer in Barack Obama. Als letzten Akt für die Geschichtsbücher könnte er endlich Peltier ermöglichen, die letzten Jahre im Kreis seiner Familie und Freunde zu verbringen. Dafür setzen sich auch die Autoren ein. Michael Schiffmann hat sich insbesondere für Mumia Abu-Jamal, politische Gefangene in den USA und gegen die Todesstrafe engagiert. Michael Koch organisiert im Rahmen des Vereins Tokata- LPSG RheinMain, der auch Herausgeber des Buches ist, Kampagnen für Peltier und Mumia Abu Jamal. Seit Jahren veranstaltet der Verein zudem Konzerte von indigenen Musikern und deutsch-indianische Jugendprojekte. Dem Traumfänger Verlag ist zu danken, dass er dieses längst überfällige Werk verlegt hat. Freundlicherweise haben auch Claus Biegert („I Am the Indian Voice“) sowie David Mueller und Lynn Salt („A Good Day to Die“) ihre Filme zur Verfügung gestellt, die sich zusammen mit der Kampagne des Human Rights Action Centre („I Will – Leonard Peltier Clemency Campaign“) auf einer beigefügten CD finden. Der Anhang enthält zudem zahlreiche Dokumente, Interviews und vor allem Photos. Das Grußwort von Leonard Peltier ist dem Buch vorangestellt und erinnert daran, worum es beim indianischen Widerstand geht: „Mitakuye Oyasin“ – wir sind mit allen verwandt. (Monika Seiller)
Rezension aus "Amerindian Research" 2/ 2016 Nr 40
Mit großem Engagement hat der TraumFänger Verlag das Erscheinen dieses lange geplanten Buches ermöglicht. Die Autoren und der Verein Tokata-LPSG RheinMain e.V. hatten lange mit einem anderen Verlag geplant, der dieses Projekt dann aber nicht mehr stemmen konnte. Der TraumFänger Verlag, der sich schon immer für die Belange der nordamerikanischen Ureinwohner stark gemacht hat, übernahm das Projekt kurzfristig und schaffte es mit viel Arbeit, dieses wichtige Buch zur Frühjahrs-Buchmesse in Leipzig zu präsentieren.
Denn noch lebt Peltier, wenn auch sehr krank, im Gefängnis und er braucht Unterstützung. Dazu ist dieses Buch gedacht. Seit Jahren haben sich die beiden Verfasser intensiv um die Thematik gekümmert. Sie machen keinen Hehl aus ihrer Unterstützung für den seit dem 6. Februar 1976 inhaftierten AIM-Aktivisten Peltier (AIM steht hier für das American Indian Movement, eine Organisation für den indianischen Widerstand in den USA).
Wer sich mit der Geschichte ein wenig auskennt, der weiß, das Peltier polarisiert. Er hat viele Unterstützer ' aber auch viele Gegner. Leider kommt im vorliegenden Buch nur die Unterstützer-Seite zum Tragen, etwas mehr Objektivität hätte dem Projekt sehr gut getan. Denn heute weiß man um die kontroverse Rolle des AIM und die Tatsache, dass Vertreter des AIM heute auf den Reservationen nicht immer gern gesehen sind, spricht für sich. Trotz allem ist dieses Buch eine hervorragende Arbeit. Die Autoren haben die Geschichte Peltiers akribisch aufbereitet und belegen einen langen Zeitraum auch mit mittlerweile zugänglichen Dokumenten. Auf knapp einhundert Seiten Anhang sind Erklärungen von Peltier, ein Interview mit Delaney Bruce und eines mit Dennis Banks sowie eine ausführliche Zeittafel zugänglich.
Der umfangreiche Textteil beschreibt die politische Situation in den USA in Bezug auf die indianische Bevölkerung, die Entwicklung des American Indian Movement (AIM), Leonard Peltiers Lebensweg, die Entwicklung der Pine Ridge Reservation, den tragischen Vorfall bei Oglala (für den Peltier letzten Endes ins Gefängnis kam) sowie die Verfahren, die Urteilsverkündung und die Haftzeit.
Die beiden Autoren Michael Koch und Michael Schiffmann haben alle Fakten sehr akribisch zusammengetragen und präsentieren eine umfangreiche Darstellung der Ereignisse und eben auch die Vorgeschichte und das politische Umfeld. Ein umfangreicher Abbildungsteil illustriert das Geschriebene.
Die dem Buch vom Verein beigelegte DVD enthält 3 Filme: 'I am the Indian Voice' von Claus Biegert, 'A good day to die' von David Mueller und Lynn Salt sowie 'I will' ' Leonard Peltier Clemency Campaign, die Teile 4b und 6 vom Human Rights Action Centre Washington. Diese zeigen eindrücklich, was schon im Textteil des Buches zum Tragen kommt: die Idee, Leonard Peltier aus dem Gefängnis zu befreien. Bei allem Pro und Contra darf Eines nicht vergessen werden: die Situation auf Pine Ridge zum Zeitpunkt des Mordes an den beiden FBI-Agenten wurde auch durch die rigide Indianerpolitik der US-Regierung begünstigt. Die Verantwortung allein Peltier anzulasten ist wie ein Schuldeingeständnis der US-amerikanischen Indianerpolitik.
Das wird ihnen eine Lehre sein! Meine lieben Mitmenschen – welchen Weg werden wir gehen?